20.03.2021 – 05.09.2021
Vitra Design Museum,
Eine Ausstellung des Vitra Design Museums, des Kunstgewerbemuseums, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, und der Wüstenrot Stiftung.
Das deutsche Design wurde in den 1920er Jahren von der Bauhaus-Schule und dem Werkbund geprägt. Nach der Teilung Deutschlands 1949 gingen auch Design und Alltagskultur auf beiden Seiten der Grenze getrennte Wege. Im Westen wurde das Design zu einer treibenden Kraft im Wirtschaftswunder, im Osten ging es in der sozialistischen Planwirtschaft auf. Mehr als dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer präsentiert das Vitra Design Museum den ersten panoramatischen Überblick über das Nachkriegsdesign in den beiden deutschen Staaten. Vom 20. März bis 5. September 2021 bietet die Ausstellung „German Design 1949-1989: Two Countries, One History“ eine vergleichende Auswahl von Design aus Ost- und Westdeutschland und erkundet ideologische und ästhetische Unterschiede sowie Parallelen und Wechselbeziehungen zwischen Ost und West. Die Exponate reichen von ikonischen Möbeln und Lampen über Grafik-, Industrie- und Innendesign bis hin zu Moden, Textilien und persönlichem Schmuck.
Billiges Plastik und schrille Farben im Osten, kühler Funktionalismus im Westen – die Ausstellung bricht mit vereinfachenden Klischees und zeigt einen differenzierten Blick. Legendäre Automobile wie der „Trabant“ (1958) und begehrte Alltagsgegenstände wie das ironisch „Schneewittchensarg“ genannte Radio-Phono-Combo (1956) werden neben Neuentdeckungen und Raritäten wie Luigi Colanis skulpturalem Schlaufenstuhl „Poly-COR“ (1968) zu sehen sein. Die Ausstellung stellt wichtige Persönlichkeiten wie Dieter Rams, Egon Eiermann, Rudolf Horn und Margarete Jahny vor und beleuchtet die Rolle der Designschulen und das Erbe des Bauhauses. Das breite Panorama des Designs aus beiden deutschen Staaten verdeutlicht, wie eng Design und Geschichte, Alltagskultur und Weltpolitik im Deutschland der Zeit des Kalten Krieges miteinander verwoben waren.
Es beginnt im Jahr 1949, als in den alliierten Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland und im sowjetischen Sektor die Deutsche Demokratische Republik gegründet wurden. Die groß angelegten Wohnungsbauprogramme, mit denen beide Staaten den Wiederaufbau zu beschleunigen suchten, führten zu einem rasanten Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern – von Möbeln und Geschirr bis hin zu Elektrogeräten und Automobilen. In Ost und West wurden mehrere Designschulen wiederbelebt oder gegründet, um den von der Industrie dringend benötigten Designernachwuchs auszubilden, nicht zuletzt, weil sich Design hervorragend dazu eignete, ein modernes und aufgeschlossenes Image zu vermitteln.
Mit der Gestaltung neuer Wappen, Währungen, Pässe und Symbole – bis hin zu den stilisierten Figuren der Fußgängerampeln – versuchten die beiden neuen Staaten, ihre Identität zu etablieren. Gleichzeitig verdeutlichen Objekte wie Peter Ghyczys „Garden Egg Chair“ (1968), dass die Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland gar nicht so strikt war, wie es oft den Anschein hat: Der futuristische Stuhl wurde auf beiden Seiten der Grenze in fast identischer Form hergestellt.
Mit dem Bau der Berliner Mauer ab 1961 wurde schließlich eine harte Grenze durchgesetzt. Hatten bis dahin eine Reihe von Unternehmen und Designern in Ost- und Westdeutschland zusammengearbeitet, so hielt die Rivalität zwischen den beiden politischen Systemen nun auch im Design Einzug. In Westdeutschland wurde das Design zu einem wichtigen Faktor in einer Konsumgesellschaft, die die neuesten Möbel und Autos als Statussymbole begehrte. In Ostdeutschland wurde das Design dieser Zeit als Teil der sozialistischen Planwirtschaft zentral geregelt. Ein eigenes staatliches Amt – das Amt für Industriedesign – sorgte dafür, dass es die breite Bevölkerung mit bezahlbaren Produkten versorgte und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Industrie stärkte. Der Großtafelbau ermöglichte die Bereitstellung von Wohnraum im großen Stil, was wiederum Möbel- und Inneneinrichtungskonzepte erforderte.
Dank der Initiative des westdeutschen Bundeskanzlers Willy Brandt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten kam es in den 1970er Jahren zu einer Annäherung zwischen Ost und West, die 1989 im Fall der Berliner Mauer gipfelte. Das Design auf beiden Seiten der Grenze spiegelte in dieser Zeit ein wachsendes kritisches Bewusstsein wider, das durch Ereignisse wie die Ölkrise 1973 angeheizt wurde. Die ostdeutsche Wirtschaft begann zu schrumpfen, aber ihre Designer erwiesen sich als erfinderisch. In Ost-Berlin trafen sich Design und Subkultur in einer pulsierenden Szene, die mit Mode, Fotografie, Keramik und dekorativen Accessoires eine neue Ästhetik des Alltäglichen zum Ausdruck brachte, die sich der industrialisierten Planung entzog.
Westdeutschland ging zwar nicht unbeschadet aus den wirtschaftlichen Verwerfungen der 1970er Jahre hervor, doch seine Führungsrolle im internationalen Industriedesign blieb intakt. So spiegelte der 1974 vorgestellte Volkswagen Golf die wachsende Nachfrage nach kleinen, effizienten Autos wider, und Anfang der 1980er Jahre beauftragte Steve Jobs Hartmut Esslinger und die deutsche Agentur frogdesign mit dem Design eines der ersten Apple-Computer. Die politische Entspannung führte allmählich zu Austausch und Zusammenarbeit auch im Design. So fanden 1984/85 in Ost-Berlin und 1988 in Stuttgart Doppelausstellungen mit Design aus dem anderen Deutschland statt.
Nach dem Fall der Mauer 1989 wurden große Teile der ostdeutschen Industrieproduktion eingestellt, viele ostdeutsche Bekanntheiten verschwanden einfach. Die Ausstellung „German Design 1949-1989: Zwei Länder, eine Geschichte“ vergleicht ost- und westdeutsches Design auf Augenhöhe und wirft dabei ein Schlaglicht auf weniger bekannte Kapitel der deutschen Designgeschichte. Die Ausstellung betont die politische Bedeutung des Designs in der Zeit des Kalten Krieges, zeigt aber auch die faszinierende Vielfalt der Designstile und -haltungen, die eine differenziertere Betrachtung als die Fixierung auf ideologische Unterschiede erfordert. Die Ausstellung thematisiert erstmals die Geschichte des Designs in Ost- und Westdeutschland als eine gemeinsame Geschichte – geprägt von Gegensätzen und Konflikten, aber auch von Gemeinsamkeiten und Verbindungen.
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Die Ausstellung und ihre internationale Tournee werden vom Auswärtigen Amt unterstützt.